Wie so häufig in den letzten Jahren mussten die Helden aus Werther wieder zu unterschiedlichen Zeiten anreisen. Während die einen noch schufteten, aalten sich andere schon in der Sonne. Die Welt ist halt nicht gerecht. Erst früh am Donnerstag fanden sich endlich alle Aktiven vor Ort ein. Letzte Fachsimpeleien und gutgemeinte Ratschläge („du musst die Vorhand stärker abknicken“) wurden ausgetauscht, bevor sich Werther auf den Weg in die Halle machte.
Achim Müller konnte sich in der Herren Konkurrenz bis 1800 TTR-Punkte mit 4 Siegen gut etablieren; zwar waren in den Begegnungen nicht alle Gegner durchgängig satisfaktionsfähig (der Punktesaldo von +2 aus 5 Begegnungen spricht hier eine deutliche Sprache), doch auch gegen diese Gegner „muss die Messe erst einmal gelesen werden“.
Jan Domnick mag das Ihno Ocken Turnier. Die meisten Gegner kennen ihn und seine Spielweise nicht. Die meisten Gegner liegen schon 2 Sätze in Rückstand, bevor sie auch nur ansatzweise verstehen, die Angaben zu parieren. Vor allem mag Domnick es, als einer der Top-Favoriten ins Rennen zu gehen; 2017 war dies nun schon zum wiederholten Mal der Fall. Am Tag der 1650er Klasse ging Domnick sogar mit einem tagesaktuellen Wert von 1666 ins Rennen! Eine Gesamtbilanz von 9:2 in den beiden Konkurrenzen bis 1800 TTR-Punkte und bis 1650 TTR-Punkte ist eine beachtliche Ausbeute, ein Punktesaldo von +18 ein gerechter Lohn.
Andreas Perk spielte die gleichen Wettbewerbe wie Jan Donmick; Perks Gesamtbilanz von 7:2 in den beiden Konkurrenzen bis 1800 TTR-Punkte und bis 1650 TTR-Punkte ist ebenfalls aller Ehren wert und ein Punktesaldo von +11 eine angemessene statistische Bewertung. Vor allem für den Gefühlshaushalt viel wichtiger war jedoch der Sieg gegen einen Spieler vom Süderneulander SV mit 1747 Punkten! Bravo. Davon lässt sich lange zehren.
Axel Marx spielte zwei sehr unterschiedliche Turniertage. In der Herren Konkurrenz bis 1800 TTR-Punkte spielte er im Prinzip ordentlich, musste sich jedoch gegen einen deutlich schwächeren Gegner geschlagen geben. Den ‚Makel‘ eines Verlusts von 17 TTR-Punkten konnte er jedoch am übernächsten Tag in der 1650er-Konkurrenz mit 15 gewonnen Punkten nahezu gleich wieder wettmachen. Insofern eine ausgeglichene Gesamtbilanz für unseren Mann mit der Vorhand-Peitsche.
In derselben 1650er-Konkurrenz spielte Jürgen van Capelle deutlich über seinem Niveau: 2 Siege gegen höher gesetzte Gegner ließen ihn jubeln und für den Sonntag schon mit einem Platz auf dem Treppchen schielen. Doch zu viel Selbstvertrauen ist selten für den Erfolg förderlich. Und so konnte van Capelle die ‚Königsdisziplin‘ der 1350er Klasse zwar mit einem leichten Punktgewinn beenden, doch hinterließ der Sonntag trotzdem einen schalen Beigeschmack, da mehr möglich gewesen wäre.
Was bei dem TTC Turnier alles möglich ist, bewies dagegen Christian Henkenjohann. Mit einem ausgeglichenen Spielergebnis von 2:2 und einem Zugewinn von 13 TTR-Punkten konnte er mit dem ersten Turniertag (1500er Konkurrenz) mehr als zufrieden sein. Im Laufe des Abends fasste er den Entschluss, auch in der 1650er Konkurrenz anzutreten. „Sehr selbstbewusst“ raunte mancher Kollege, „doch nichts ist unmöglich“. Die Wirklichkeit der Trainingshalle war dann allerdings am nächsten Tag recht rau: mit nur zwei gewonnenen Sätzen in vier Spielen konnte Henkenjohann die eigenen hohen Erwartungen nicht erfüllen. Doch unser Held ließ nur kurzfristig den Kopf hängen, es stand ja noch der Sonntag bevor, die 1350er Konkurrenz, von Fachleuten auch als die „Hölle der Hanse“ bezeichnet.
Und um es vorweg zu nehmen, hier zeigte Henkenjohann dann sein wirkliches Format und steigerte sich von Spiel zu Spiel. Waren seine ersten Gegner kaum mehr als Fallobst, so bezwang er im letzten Vorrundenspiel einen deutlich stärkeren Gegner in einem atemberaubenden 5-Satz-Match mit 11:7 im letzten Satz. Es war das erste Mal, dass die Zuschauer auf diesen Mann aus Ostwestfalen aufmerksam wurden.
Und diese gestiegene Wahrnehmung auf den gut gefüllten Rängen löste weitere Adrenalinschübe aus. Und die Performance verbesserte sich weiter von Match zu Match. Das fünfte Spiel des Tages führte zu einer der seltenen Ausnahmen des Turniers in Norden, denn es kam zu einem Aufeinandertreffen mit Vereinskollege Lars Rothe. Während sich beide Spieler im Laufe der Saison „auf Augenhöhe“ befanden, so stand dieser Sonntag ganz im Zeichen des „Mannes mit der Glatze“: Lars Rothe musste sich nach einem zwar kurzweiligen, aber deutlichen 0:3 der fantastischen Tagesform seines Gegenübers beugen. Doch es sollte noch besser kommen. Als nächster Gegner wartete im Halbfinale ein Spieler aus Essen, der – nicht nur – aufgrund seines Materials recht unangenehm zu bespielen war. Das Spiel wogte hin und her… und plötzlich geschah etwas Einmaliges und Wunderbares und nahezu Göttliches…
Hier folgen nun zwei unterschiedliche Szenarien:
Bitte wählen Sie die „1“, wenn Sie die Geschichte in ihrem objektiven Fortlauf von unserem Chronisten wiedergegeben haben möchten.
Wählen Sie bitte die „2“, wenn Sie den Fortgang des Tages als zwar heroisierende, jedoch bildungsbürgerlich sehr anspruchsvolle Parabel hören und lesen möchten. Nun bitte, wählen Sie die „1“ oder die „2“.
Variante „1“:
Das Spiel wogte hin und her. Henkenjohann musste sogar einen Satzrückstand hinnehmen, bevor er schließlich seine ganze Klasse an die Platte brachte und das Spiel letztlich souverän und verdient mit 3:2 gewann. Essen war besiegt. Murmelte noch undeutlich etwas ähnliches wie „unverdient“ und trollte sich dann.
Variante „2“:
Das Spiel wogte hin und her. Henkenjohann musste sogar einen Satzrückstand hinnehmen…, als ihn plötzlich ein heller Sonnenstrahl mitten in der Halle erfasste… und er plötzlich Pidder Lüng sprechen hörte. Pidder Lüng, den friesischen Fischer, der gegen die dänische Herrschaft revoltiert hatte, der die Zahlung von Steuern verweigert hatte und der zu Lebzeiten die Freiheit der Friesen verteidigt hatte. Und dessen Parole „Lewwer duad üs Slaav!“ („Lieber tot als Sklave!“) nahm sich nun auch unser junger Held aus Werther zu Herzen. Verlieren gegen den Noppenspieler aus Essen war nun keine Option mehr. Lewwer duad üs Slaav… jeder Topspin gelang plötzlich; nichts schien unmöglich, Lewwer duad üs Slaav… Henkenjohanns Vorhand-Schuss lotete die Grenzen physikalischer Machbarkeit aus; mit der Rückhand produzierte er Bälle mit fast 10.000 Umdrehungen in der Sekunde, die den Gegner aus Essen schier zur Verzweiflung trieben. So kam es wie es kommen musste: Henkenjohann gewann und die friesischen Gastgeber spendeten zum ersten Mal frenetischen Beifall. Und Pidder Lüng murmelte ein letztes Mal leise „Lewwer duad üs Slaav!“.
Im Finale wartete dann ein Jugendspieler aus Norddeutschland. Henkenjohann konnte mit 2:1 in Führung gehen, doch der unglücklich verlorene vierte Satz besiegelte das Spiel: im Entscheidungssatz musste Henky letztlich dem anstrengenden Turniertag Tribut zollen und dem Gegner gratulieren. Trotz dieser Niederlage war Henkenjohann natürlich der Applaus der Wertheraner Kollegen in allen sozialen Netzwerken sicher. Bis tief in die Nacht gingen Glückwünsche bei unserem Helden ein; 44 frische und leckere neue TTR Punkte konnte sich Henky in dieser Nacht noch in seine Kanone ritzen. All-time-high.
Lars Rothe spielte ebenfalls an drei Tagen durch. Am ersten Tage konnte er die 1500er-Konkurrenz mit einem beachtlichen 3:3 Ergebnis und dem Gewinn von 23 tagesaktuellen TTR-Punkten beenden. Den 1650er-Wettbewerb nutzte er dann – wie so manch anderer auch – als Trainingstag: Ein Ergebnis von 1:4 tut dann letztlich in solch einer starken Konkurrenz nicht weh und dient lediglich als Vorbereitung auf die lang erwartete Königsdisziplin am Sonntag. In der Vorrunde ging alles glatt und Rothe zog mit 2:1 in die Hauptrunde ein. Im ersten Match sammelte Rothe in einem sehr ansehnlichen Spiel dann von den Zuschauern so manches „Ooh“ und „Yippieyayeh“ ein, doch dann erwischte es ihn hart: als nächster Gegner wartete kein Geringerer als Christian Henkenjohann auf ihn. Und dieser verstand an diesem Tag keinen Spass; humorlos wurde Rothe in drei Sätzen zum Duschen geschickt. Der Gewinn von insgesamt 24 TTR-Punkten versüßte dann jedoch die lange Heimfahrt.
Michael Mruck, einer der großen Gewinner der Nordenfahrt des Jahres 2016, spielte ebenfalls an allen drei Tage. Doch der Husarenstreich des Vorjahres wollte diesmal nicht gelingen. Mit einem Verlust von 8 TTR-Punkten musste er die 1500er-Konkurrenz beenden. Im 1650er-Wettbewerb lief es dann erstaunlicherweise fast besser: um ein Haar hätte er einen erstaunlichen Sieg gegen einen deutlich stärkeren Gegner errungen und sich so fast wieder als Favoritenschreck einen Namen gemacht. Doch letztlich musste auch Mruck sich auf den Sonntag und die Herren E-Konkurrenz als seine Kernkompetenz besinnen. seineDort verlief für unseren verdienten Sportsmann zunächst auch alles nach Plan; leider musste er dem ersten wirklich ebenbürtigen Gegner in der Hauptrunde dann zum Sieg gratulieren. Eine konsolidierte Punkteausbeute von -1 nach drei Spieltagen schmerzte nur kurz.
Oscar Werner war zum ersten Mal in Norden dabei. Und wie es sich für einen Neuling gehört, so meldete er sich erst einmal exklusiv für den Sonntag an. Doch leider war ihm der Tischtennisgott alles andere als gnädig. In der Vorrunde versammelten sich alle unangenehmem Materialspieler Frieslands gerade in seiner Gruppe. „Männlich, über 60, lange Noppen“ war die Gemeinsamkeit aller Gegner. Doch entgegen mancher Befürchtung bewahrte Werner einen kühlen Kopf und in der Trostrunde konnte er dann zeigen, welch schönen Ball er in der Lage ist zu spielen. Erst im Halbfinale war für ihn Schluss. Dritter Platz in Norden, ein insgesamt schöner Ausklang eines langen Turniers.
Michael Köhler war eigentlich mit Ambitionen an den Rand der bewohnten Welt nach Norden gefahren. Sein Ziel: einige schöne Spiele, manch neuer Punkt und viele neue Erfahrungen wollten gesammelt werden. Leider musste er jedoch schon am ersten Tag bittere Niederlagen hinnehmen: in allen Spielen zwar ebenbürtig, jedoch schlussendlich ohne Fortüne, so sah der Saldo des ersten Tages aus. Und zur großen Überraschung zog Köhler daraufhin seine Teilnahme an den restlichen Wettbewerben zurück. Alles Zureden der Kollegen war umsonst, sein Entschluss stand fest. Die anderen Wertheraner konnten ihn gerade noch davon abhalten, den Schläger in der Nordsee zu versenken. Ein weiser Entschluss, denn alle wissen: Köhler kommt zurück. Und das ist auch gut so.